Sepsis & Autoimmunität
Die Sepsis ist das lebensbedrohliche Resultat einer fehlregulierten Reaktion des Immunsystems auf eine invasive Infektion. Bei der Entstehung der Sepsis spielt der grundlegende Gesundheitszustand im Vorfeld der Infektion eine fundamentale Rolle. So erkranken Menschen mit Immunschwäche, die beispielsweise auf Grund einer Vorerkrankung besteht, wesentlich häufiger an einer Sepsis. Die rheumatoide Arthritis nimmt hierbei eine besondere Stellung ein. Diese chronisch entzündliche Gelenkerkrankung ist der wich-tigste Risikofaktor der septischen Arthritis, bei der Bakterien in das Gelenk eindringen und die resultieren-de Immunreaktion zu deformierenden Erosionen des Bewegungsapparats und damit zu einer lebenslan-gen Invalidität bei betroffenen Menschen führen kann. Um dieses Phänomen zu untersuchen, haben wir in unserem Labor ein Tiermodell der rheumatoiden Arthritis mit einer Blutinfektion durch Gruppe A Strepto-kokken kombiniert (Abb. 1A). Tiere mit der Vorerkrankung entwickelten im Vergleich mit Kontrolltieren ohne Vorerkrankung eine septische Arthritis, die in einigen Fällen mit einem vollständigen Funktionsverlust betroffener Gelenke einherging (Abb. 1B). Aufgrund der dramatischen Infektionssymptomatik mussten nahezu alle infizierten Tiere mit der Vorerkrankung vorzeitig erlöst werden (Abb. 1C). Somit erbrachten wir den experimentellen Nachweis, dass die Autoimmunität ein Versagen der antibakteriellen Abwehr verur-sacht und das Entstehen einer Sepsis begünstigt.
Abbildung 1: Eine vorliegende Autoimmunerkrankung erhöhte im Tiermodell das Risiko für eine Sepsis. (A) Mäuse ohne Vorerkrankung und Mäuse mit zugrundeliegender Autoimmunität wurden mit Gruppe A Streptokokken (GAS) infiziert. Als Modell für die rheumatoide Arthritis – eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen im Menschen – wurde die Kollagen-induzierte Arthritis verwendet (engl. Collagen-induced Arthritis, CIA). (B) 3D-Rekonstruktionen mikro-computertomographischer Aufnahmen von Kniegelenken zeigen die infektionsassoziierten Erosionen von Knochen, die durch die Vorerkrankung begünstigt wurden. (C) Die Vorerkrankung bedingte ein dramatisch erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Sepsis, was ultimativ zu einer signifikant verringerten Überlebenswahrscheinlichkeit bei infizierten CIA-Mäusen führte. Mit Biorender.com erstellt.
Die Ursachen dafür bleiben immer noch unklar und zahlreiche neue Fragen wurden im Zuge dieser Forschungsergebnisse aufgeworfen: Sind autoreaktive Immunzellen, die in Folge von Autimmunität expanderien, auf Grund ihres erhöhten Aktivierungspotentials für die Entgleisung der Zytokinsektretion verantwortlich? Kann man die Zelltypen identifizieren, die maßgeblich an der Sepsis-assoziierten Zytokinproduktion beteiligt sind? Ist es möglich eine Sepsis auf Grund spezifischer Biomarker, die insbesondere bei Individuen mit Autoimmunität exprimiert werden, vorherzusagen? Kann man innovative Therapieansätze entwickeln, die auf Patienten mit rheumatischer Vorerkrankung spezialisiert und in der Lage sind, der Enstehung einer Sepsis entgegenzuwirken? Nicht nur die komplexe Pathophysiologie der Sepsis, sondern auch die Wechselwirkungen von Infektionen und Vorerkrankungen plädieren demnach für präzisere Diagnose- und Therapieoptionen. Die Entwicklung individuliesierter Medizin im Kontext von Autoimmunität & Sepsis erfordert die Gewinnung von weitreichenden Grundlagenerkenntnissen. Mit Hilfe der finanziellen Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie der Forschungsförderung der Medizinischen Fakultät der Rostocker Universität (FORUN) unterhalten wir in unserer Arbeitsgruppe ein Projekt, das die Entschlüsselung der mannigfaltigen Wechselwirkungen zwischen chronisch entzündlicher Vorerkrankung und Infektion als Ziel hat (Abb. 2). Im speziellen nutzen wir modernste Technologien der Einzelzellanalyse, um in unterschiedlichsten Geweben diejenigen Zellen zu identifizieren, die maßgeblich an der Entstehung einer Sepsis beteiligt sind.
Abbildung 2: Die Explorative Entschlüsselung der Immundynamik bei kombinierter Autoimmunität & Sepsis. Um die Ursachen und Bedingungen des Immunversagens bei septischen Tieren mit vorliegender Autoimmunität zu erkunden, untersuchen wir die pathologischen Veränderungen immunologisch relevanter Biomoleküle mit Hilfe Durchflusszytometrie und RNA-Sequenzierung. Die Projekte wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Forschungsförderung der Medizinischen Fakultät der Rostocker Universität (FORUN) unterstützt.
Themen-spezifische Publikationen
- Volzke, J., Schultz, D., Kordt, M., Müller, M., Bergmann, W., Methling, K., Kreikemeyer, B., and Müller-Hilke, B. (2020). Inflammatory Joint Disease Is a Risk Factor for Streptococcal Sepsis and Septic Arthritis in Mice. Front. Immunol. 11, 579475. 10.3389/fimmu.2020.579475.
- Volzke, J., and Müller-Hilke, B. (2021). Degenerative Joint Damage Is Not a Risk Factor for Streptococcal Sepsis and Septic Arthritis in Mice. Life 11, 794. 10.3390/life11080794.
- Aleith, J., Brendel, M., Weipert, E., Müller, M., Schultz, D., and Müller-Hilke, B. (2022). Influenza A Virus Exacerbates Group A Streptococcus Infection and Thwarts Anti-Bacterial Inflammatory Responses in Murine Macrophages. Pathogens 11, 1320. 10.3390/pathogens11111320.
- Aleith, J., Bergmann, W., and Müller-Hilke, B. (2024), Maximizing Insights, Minimizing Animal Testing: A Framework for Validating Multiparametric Single-Cell Cytokine Analysis Panels. Eur. J. Immunol. (Under Review, Major Revisions Pending)